Der Immobilienmarkt befindet sich ständig in Bewegung. Spätestens seitdem die Kreditzinsen spürbar angestiegen sind und politische wie wirtschaftliche Rahmenbedingungen schwieriger werden, rückt auch die Frage, ob sich ein Immobilienkauf lohnt, wieder in den Fokus und erfordert eine Neubewertung.
Auf den Blickwinkel kommt es an.
Regelmäßig erscheinen in den deutschen Medien Schlagzeilen mit den neuesten Untersuchungen und Zahlen sowie passenden Experteninterviews zum Thema „Kaufen oder mieten“. Diese zuweilen recht spektakulär präsentierten Erkenntnisse haben meist zwei Gemeinsamkeiten: Sie beruhen auf aktuellen Statistiken und münden nicht selten in einer konkreten Empfehlung oder implizieren zumindest, welche der beiden Optionen die bessere sei.
Von derlei Aussagen sollte man sich nicht zu sehr beeindrucken lassen. Selbst wenn alle Zahlen stimmen, lassen sie doch einen Interpretationsspielraum. Und auch wenn sie absolut logisch und naheliegend – also nach unserem Empfinden „wahr“ – sind, so handelt es sich dabei doch lediglich um Momentaufnahmen. Eine große deutsche Boulevardzeitung titelte beispielsweise vor kurzem, dass im Jahr 2024 mieten „fast überall billiger“ sei als kaufen – was sich vor zwei Jahren noch genau andersherum dargestellt habe.
Es ist natürlich sinnvoll, sich über die aktuelle Entwicklung zu informieren. Oder auch Trends zu beobachten und zu berücksichtigen. Doch wer möchte schon potenziell langfristige Entscheidungen vorrangig darauf basieren lassen?
Der „Postbank-Wohnatlas“ kommt in seiner Prognose bis 2035 bereits deutlich differenzierter zu dem Schluss, dass eine pauschale Empfehlung zu Kauf oder Miete nicht seriös möglich sei, zumal viel von der Lage der Immobilie und zahlreichen weiteren Faktoren abhänge. Dazu gehören auch die jeweiligen persönlichen Umstände.
Ein erster möglicher Schritt, den jeder selbst tun kann, um die individuellen Optionen anhand konkreter Zahlen abzuschätzen, ist die Nutzung eines der vielen im Netz verfügbaren „Mieten-Kaufen-Rechner“ (auch: Baufinanzierungsrechner). Diese werden beispielsweise von „test.de“ oder „immowelt.de“ angeboten.
Generell gilt: Je höher die Zinsen, desto wichtiger ist Eigenkapital, um die Kreditsumme möglichst gering zu halten. Früher wurden 20 Prozent empfohlen, mittlerweile gilt das bereits als grenzwertig und die Tendenz geht eher in Richtung 25 bis 30 Prozent der Kreditsumme, was aufgrund von Inflation, Zinshöhe und schwierigerer Wirtschaftslage auch ratsam scheint. Es ist hilfreich, mehrere Szenarien mit unterschiedlicher Zinshöhe durchzurechnen und dabei eine möglichst lange Zinsbindung des Kredits anzustreben, um das Risiko für unerwünschte zukünftige Überraschungen zu minimieren.
Individuellen Faktoren berücksichtigen.
Neben solchen kalkulierbaren Rahmenbedingungen gibt es aber auch individuelle Faktoren, die sich einer Berechnung oder pauschalen Empfehlung hartnäckig entziehen, aber dennoch nicht ignoriert werden dürfen.
Faktoren, die als nachteilig oder belastend empfunden werden können, sind etwa:
- die langfristige Festlegung durch den Kauf, sowohl finanziell als auch örtlich.
- Trotz Eigenkapital ist eine hohe Verschuldung erforderlich.
- Kreditabzahlung, Instandhaltungs- und Nebenkosten sind höher als Miete.
- Das Lebensrisiko (z. B. Arbeitsplatzverlust, Krankheit) ist folgenschwerer bzw. muss zusätzlich versichert werden.
Auf der anderen Seite stehen u.a. folgende erhebliche Vorzüge:
- langfristig berechenbare finanzielle Belastung.
- keine Sorgen wegen Mietpreisexplosion oder Wohnungskündigung.
- risikoarmer Vermögensaufbau durch die Immobilie.
- mietfreies Wohnen im Alter.
- Besitz vermittelt Sicherheit und Unabhängigkeit.
- Immobilie kann nach eigenen Wünschen gestaltet und vererbt werden.
Fazit: Das Thema „Kaufen oder mieten“ ist komplex und undifferenzierte Ratschläge sind daher mit Vorsicht zu genießen. Eine seriöse Beratung erkennt man daran, dass sie sich auf kalkulierbare Faktoren beschränkt, abweichende individuelle Aspekte akzeptiert und sich mit pauschalen Empfehlungen zurückhält.
Quellen: wiwo.de, test.de, immowelt.de, haufe.de, focus.de, zdf.de, bild.de, postbank.de