Wohnungseigentümer haben jetzt die Wahl, Eigentümerversammlungen in Präsenz, hybrid oder ausschließlich virtuell durchzuführen. Der Bundesrat hat der Novelle am 27. September zugestimmt. Bislang schloss das Wohnungseigentümergesetz (WEG) die Möglichkeit einer reinen Online-Versammlung aus. Unter Experten ist die neue Regelung allerdings umstritten.
„Ein überfälliger Schritt“.
Bereits 2022 sollte eine gesetzliche Regelung für reine Online-Eigentümerversammlungen auf den Weg gebracht werden. Als der angekündigte Entwurf Ende 2023 noch nicht vorlag, wandten sich neun größere Immobilien- und Verwaltungsunternehmen in einem offenen Brief an Bundesjustizminister Marco Buschmann (FDP). In ihrem Appell verwiesen sie unter anderem auf die anstehenden Aufgaben bei der energetischen Sanierung des Gebäudebestandes.
Das neue Gesetz sei „ein überfälliger Schritt hin zu weniger Bürokratie und mehr Digitalisierung“, betonte schließlich Marco Buschmann anlässlich des Bundestagsbeschlusses am 3. Juli 2024. Auch Branchenverbände wie Haus & Grund Deutschland und der Verband der Immobilienverwalter Deutschland (VDIV) begrüßen die Novelle als sinnvoll und zeitgemäß: „Damit wird der Weg frei für einen zeitnahen und verbesserten Meinungsaustausch für Wohnungseigentümergemeinschaften, die zunehmend Entscheidungen treffen müssen, bei denen eine jährliche Präsenzversammlung nicht mehr ausreichen wird“, heißt es in einer Stellungnahme.
Nicht zuletzt in Hinblick auf eine in Zukunft engere Taktung von Besprechungen und Beschlussfassungen bietet die Gesetzesnovelle mehr Flexibilität und stellt besonders für Eigentümer, die einen längeren Anfahrtsweg haben, eine Erleichterung dar. (Die Option einer Online-Teilnahme bot allerdings auch die WEG-Reform 2020, nach der eine hybride Versammlungsform per Mehrheitsbeschluss möglich war.)
Fluch oder Segen?
Insofern könnten auch ältere, weniger mobile Menschen von der neuen Regelung profitieren – vorausgesetzt, sie sind technisch versiert genug, um problemlos partizipieren und ihre Rechte wahrnehmen zu können. Denn laut dem neuen § 23 Abs. 1a WEG muss die virtuelle Versammlung diesbezüglich mit einer Präsenzversammlung vergleichbar sein.
Dies sieht der Wohnungseigentümerverband WiE nicht gegeben. Unter Verweis auf die Gefahr, dass „ältere, hörgeschädigte, bildungsbenachteiligte und technisch nicht versierte“ Eigentümer ausgegrenzt werden, lehnt er die Neuregelung ab. (Dass weniger technikaffine Eigentümer von Angehörigen unterstützt werden, liegt nahe, verstößt jedoch gegen den Grundsatz der Nichtöffentlichkeit.)
Den Aspekt der Ausgrenzungsgefahr sieht auch der Eigentümerverband Haus & Grund, der in diesem Zusammenhang kritisierte, dass eine Dreiviertelmehrheit der in der Wohnungseigentümerversammlung abgegebenen Stimmen bereits ausreicht, um die rein virtuelle Versammlung zu beschließen. Hier hat der Gesetzgeber mit § 48 Abs. 6 WEG zumindest teilweise nachgebessert. Der neue Paragraph sieht eine Übergangsregelung vor: Bis einschließlich 2028 soll mindestens einmal jährlich eine Präsenzversammlung stattfinden. Hierauf zu verzichten, ist dann nur mit einstimmigem Beschluss möglich. Außerdem gibt es eine Art Probezeit: Die Möglichkeit der Versammlung ohne physische Präsenz von Eigentümern und Verwaltung ist, zumindest vorerst, auf einen Zeitraum von längstens drei Jahren ab Beschlussfassung begrenzt.
Online-Variante braucht zwei Beschlüsse.
Im Klartext bedeutet dies, dass Gemeinschaften, die künftig ausschließlich virtuell tagen wollen, in dieser Übergangszeit zwei Beschlüsse fassen müssen: einen mit Dreiviertelmehrheit zur virtuellen Durchführung und einen einstimmigen zum Verzicht auf eine Präsenzversammlung. Sollte sich die virtuelle Variante nicht bewähren, können die Eigentümer jederzeit mit einfacher Mehrheit per Geschäftsordnungsbeschluss eine Rückkehr zur Präsenzversammlung beschließen.
Dies könnte z. B nötig werden, wenn sich die Bedenken einiger Rechtsexperten hinsichtlich technischer Störungen bewahrheiten: Rechtsanwalt Urs Markus Tauber befürchtet eine Zunahme von Nichtigkeits- und Beschlussanfechtungsklagen, falls hierdurch Miteigentümer von Teilnahme und Beschlussfassung ausgeschlossen werden, eine Versammlung nicht fortgesetzt oder gar nicht erst begonnen werden könne.
Einen weiteren Aspekt bringt Dr. Oliver Elzer, Richter am Kammergericht Berlin, in die Diskussion ein: Durch virtuelle Versammlungen könnten Wohnungseigentümer von der Verwaltung ihres wichtigen Wirtschaftsgutes ferngehalten werden, denn viele Menschen seien nicht bereit, ihr Bild online zu offenbaren und auf einer Plattform frei zu sprechen.
Quellen: gesetze-im-internet.de, haufe.de, weg-seminare.de, etg24.de